20130424

Robert Kegan.

<< Alle unsere Hoffnungen und Wünsche scheinen letztlich auf diese beiden Grundbedürfnisse zurückzugehen. Das eine dieser Bedürfnisse kann man vielleicht als Verlangen nach Zugehörigkeit bezeichnen, als Verlangen nach Beteiligung, Nähe, Bindung, als Verlangen, von anderen gehalten, aufgenommen, begleitet zu werden. Das andere Bedürfnis kann man Verlangen nach Unabhängigkeit oder Selbstständigkeit nennen; es ist unser Verlangen, verschieden zu sein, unsere eigene Richtung zu bestimmen, die eigene Identität zu wahren. [...]
Das Bemerkenswerte an diesen beiden grundlegenden menschlichen Bedürfnissen ist, dass sie in Konflikt miteinander stehen. [...] Wenn wir diese grundlegende Ambivalenz erfahren, so erfahren wir damit vielleicht nichts anderes, als den Einigung erstrebenden, ruhelosen, schöpferischen Lebensprozess selbst. >>

(Robert Kegan, Die Entwicklungsstufen des Selbst. Fortschritte und Krisen im menschlichen Leben München 1986, S.149f.)



Wie ich auf diesen Text komme? Ausnahmsweise der Deutschunterricht, in dem wir den Text heute bearbeitet haben. Irgendwie beschreibt der so das 'Große Ganze'. Ich weiß nicht genau, wie ich das erklären soll, aber darum dreht sich eigentlich alles. Man will eigene Erfahrungen und eigenen Erfolg, aber trotzdem sucht man nach Bindungen und einem Halt in seinem Leben. Man sucht einen Mittelweg zwischen Egoismus und Gemeinschaft und manchmal scheitert man vielleicht   
zeitweise. Man muss lernen zwischen eigenem Interesse und dem Pflegen von Beziehungen zu unterscheiden, und beides in Einklang bringen. Das ist manchmal schwer, denn man will ja den persönlichen Erfolg und die eigene Entscheidung, die vom Individuum getroffen wurde, aber trotzdem eine angenommene Persönlichkeit in der Gesellschaft sein. Ohne es zu wollen, macht man sich möglicherweise Feinde, sobald es zu eigenen Wünschen und Traumäußerungen kommt, denn die anderen können denken, die da, die will ja nur Gutes für sich, die anderen sind egal, obwohl man sich selbst eigentlich nur zufrieden machen will. Eben mit diesen beiden Komponenten, der Bindung und der Nähe zu anderen Menschen, aber eben auch mit dem Tatendrang, der Unabhängigkeit,und ein Stück weit auch mit dem Alleinsein im positiven Sinne. 
Schwieriges Feld, oder was meint ihr da draußen?
Ich finde den Text von Kegan echt ultragelungen, ich glaube, ich habe schon lange keinen Deutschtext mit solcher Begeisterung gelesen ohne dabei sofort an Unterricht denken zu müssen. Der Text drückt meiner Meinung nach so viel Ungesagtes aber oft Gedachtes aus. Es schwirrt eigentlich in jedem Kopf herum. Wie stille ich meinen Drang nach Unterschiedlichkeit, integriere mich dabei aber trotzdem noch in meine Umwelt, um den Halt zu bekommen, den ich brauche, um überhaupt Unterschiedlichkeit zu erlangen. Habe ich keinen Halt, habe ich keine Kraft, und habe ich keine Kraft, so habe ich auch nicht die Möglichkeit, anders zu sein, eine eigene Richtung zu gehen.
Wenn man das alles so bedenkt, dann fühlt man sich dem Leben näher, als man sonst je war. So wie Kegan es auch in seiner Schlusszeile des Textauschnittes beschreibt.
Wunderbar und Danke Deutschunterricht!

Denken hilft, xoxo.

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